Auf der Suche nach Umweltlösungen

Journal ”Biznes Dialog“ September 2016

Die Abfallverarbeitung ist ein Problem im ganzen Land und verschlimmert sich von Jahr zu Jahr. 90–95% aller Abfälle werden deponiert und nicht mehr als 10% werden verbrannt. Abfalldeponien sind wie ein Minenfeld und sind nicht nur gefährlich für die Umwelt, sondern auch für Menschen- Ausbreitung von Infektionskrankheiten, Verschmutzung von Oberflächen-und Grundwasser, sowie Luftverschmutzung durch Methan. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Abfallmengen stetig steigen, so werden mit Anstieg der Weltbevölkerung um 1,5% −2 %, die Größe der Abfalldeponien um 6% steigen. Das Abfallvolumen wird dabei nicht weniger. Eine einzige Firma kann das Problem natürlich nicht lösen. Aber man kann klein anfangen. Mein Gesprächspartner- Oliver Kayser, Geschäftsführer der Firma ”ECOCOM“, die sich mit der Planung und dem Bau von Umwelttechnologien für umweltsichere Abfalldeponien beschäftigt.

Oliver, wie hat die Geschichte der Firma ”ECOCOM“ in Russland begonnen?

Die ECOCOM LLC wurde als Tochterfirma der österreichischen ECOCOM Environmental Technologies GmbH gegründet. Die Mutterfirma ist seit 1991 tätig und beschäftigt sich mit Umwelttechnologien zur Verarbeitung und Aufbereitung von Abfällen. Im Jahr 2005 wurde die Entscheidung gefällt, Projekte zur Verminderung von Treibhausgasemissionen im Rahmen von Investitionsprojekten zur implementieren. Innerhalb von 4 Jahren haben wir Projekte zur Sammlung, Aufbereitung und Verwertung von Deponiegas entwickelt. Leider wurden diese Projekte aus verschiedenen Gründen nicht realisiert. Im Jahr 2010 wurde uns klar, dass diese Projekte Russland gebraucht werden, sich positiv auf die Umwelt auswirken und dazu beitragen neue Technologien zu implementieren. Dies auf Kosten von fremden Staatskassen zu implementieren, gestaltete sich als unmöglich. Jedoch werden diese Technologien und Systeme gebraucht und das zeigt sich tagtäglich. Wir haben jedoch den Entschluss gefasst, einen Teil dieser Projekte ohne staatliche Hilfe zu implementieren. Seit 2010 planen, bauen und betreiben wir Systeme zur Sammlung, Aufbereitung und Verwertung von Deponiegas, sowie Systeme zur Sammlung und Reinigung von Sickerwasser.

Gibt es Nachfragen nach Ihren Dienstleistungen und Produkten?

Der Markt wächst und die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen und Produkten ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Durch die gesteigerte Nachfrage wurde in der Russischen Föderation vor einigen Jahren der Entschluss gefasst, die Abfallwirtschaft neu zu organisieren und auf umweltsichere Art und Weise zu verbessern. Viele Deponien haben ihre besten Zeiten hinter sich und müssen rekultiviert werden. Auch wenn die Abfalldeponien geschlossen werden, sind die Auswirkungen auf die Umwelt noch 20–40 Jahre spürbar. Daher ist eine Rekultivierung unumgänglich. Im Moskauer Gebiet ist die Hälfte der Abfalldeponien bereits geschlossen. Diese müssen rekultiviert werden. Die Anforderungen an noch bestehende Abfalldeponien sind verschärft worden. Wenn neue Abfalldeponien erschlossen werden, steigt die Gefahr von neuen Brennherden. Die bestehenden Abfalldeponien müssen daher genutzt werden und deren Betrieb verlängert werden, zumindest solange bis ein modernes Recyclingsystem entwickelt wird.

Gibt es ein Recyclingsystem in Russland?

Das ist ein langer Prozess. Ein Recyclingsystem besteht aus komplexen und notwendigen Ingenieur-und Infrastrukturteilen. Es werden schließlich große Abfallströme verarbeitet. Was bedeutet eigentlich Recycling? Recycling bedeutet die Verwandlung von Abfällen in ein teils neues Produkt und in eine verarbeitete Masse. Ein Recyclingprodukt muss produziert und verkauft werden. Die verarbeitete Masse muss gesammelt werden. Dabei kommen einige Mechanismen zum Einsatz. Wichtig ist, dass wir die den Brennwert einiger Abfälle optimal nutzen und gleichzeitig zukunftsorientiert handeln. Wenn beispielsweise erneuerbare Energiequellen genutzt werden, muss die Preispolitik klar erarbeitet werden, damit sich dies nicht negativ auf den Tarif auswirkt. Die wichtigste Frage ist i

System zur Sammlung, Aufbereitung und Verwertung von Deponiegas: Die im Deponiekörper befindlichen Mikroorganismen bilden ein gefährliches Gas — Deponiegas, welches bis zu 60% Methan enthält. Das Gas ist hoch explosiv — es kann sich spontan entzünden und das Feuer kann sich auf die nahegelegenen Häuser und Gärten ausbreiten. Es kam bereits in der Vergangenheit zu solchen Fällen. Des Weiteren besteht Deponiegas aus Schwefelwasserstoff, Chloride, Fluoride und organischen krebserregenden Verbindungen. Deponiegas riecht nicht nur unangenehm, sondern ist auch stark gesundheitsgefährdend. 

Worin bestehen der Sinn und Zweck eines Gassammelsystems? Es werden 50–100 m tiefe Gasbrunnen in den Deponiekörper gebohrt und mit horizontalen Schläuchen verbunden, die an eine Gasverdichterstation angeschlossen werden. Dadurch ist es möglich das Deponiegas zu fassen und es anschließend in einer Hochtemperaturfackel aufzubereiten. Es handelt sich dabei um eine der effizientesten Methoden zur Gasaufbereitung. Die Effizienz beträgt 99%.

Ein solches System wurde auf der Abfalldeponie ”Timochowo“ im Moskauer Gebiet installiert. Über ein halbes Jahr wurde die Effizienz des Systems beobachtet, es wurden Analysen und Test durchgeführt und das Ergebnis was sehr positiv. Die Anzahl an gefährlichen Stoffen konnte minimiert werden. Es ist eines der umweltsichersten Systeme, welches ökologische und wirtschaftliche Aspekte gleichzeitig berücksichtigt und vor allem eine Lösung für das Emissionsproblem darstellt. Durch das System ist es möglich 95% des Deponiegases zu erfassen, auf geschlossenen Abfalldeponien sind es sogar 100%. Des Weiteren arbeitet das System 24 h ohne Pause.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen. Auf der Abfalldeponie ”Timochowo“ war eine solche Nutzung vorgesehen. Jedoch haben sich der Euro -und Dollarkurs stark verschlechtert und da es in Russland keine Produzenten für solche Systeme gibt und das westliche System zu teuer war, konnte ein solches Projekt leider nicht implementiert werden. Die Absichten ein solches Projekt zu implementieren, haben sich aber nicht verändert und derzeit wird über die schrittweise Realisierung nachgedacht. Ein weiteres Problem sind Importbeschränkungen und Sanktionen. Letzteres stellt für uns kein Problem dar, da wir die Planung und den Bau zur Gänze mit russischen Ressourcen abdecken können, jedoch gibt es in Russland keine Firmen, die ähnliche Anlagen und Maschinen bauen. Und das nicht, weil sie dazu nicht in der Lage sind, sondern weil die technischen Anforderungen an die Abfalldeponien so gering sind, dass es so gut wie keine Aufträge für diese Maschinenbauer gibt. Das ist für uns bis heute ein Problem. Es gibt keine Produzenten und keine Anlagen. Die Produktion zu lokalisieren ist unmöglich, solange es nicht genug Aufträge gibt. Die Anwendung von Importbeschränkungen ist in diesem Bereich kontraproduktiv. Die Substitution ausländischer Produkte durch einheimische sollte reibungslos verlaufen.

Sie sind wahrscheinlich sehr gut mit der Abfallsituation in europäischen Ländern vertraut. Geht es für Russland in die richtige Richtung in Bezug auf Recycling?

Mir fällt seit mehreren Jahren auf, dass die russische Bevölkerung bereit ist für eine Veränderung und sich auch für eine Mülltrennung einsetzt. Das verstehen nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder. Derzeit sehe ich aber noch keine richtige Mülltrennung und auch keine Verarbeitung. Das soll nicht heißen, dass das überhaupt nicht gibt. Teilweise wurden eine Trennung und Verarbeitung in Moskau und im Moskauer Gebiet eingeführt. Alles muss korrekt und gesetzmäßig durchgeführt werden. Derzeit gleicht es aber eher einem Experiment. Ich bin jedoch zu 100% davon überzeugt, dass das Argument, das viele Beamte vorbringen, dass die russische Bevölkerung den Müll nicht trennen will und eine Mülltrennung in Russland nicht durchsetzen kann, falsch ist. Die Leute wollen eine Veränderung und sind auch bereit dafür! Im Gegenteil die Leute wollen keine Müllberge, verschmutzte Flüsse, und dreckige Einfahrten mehr sehen. In Russland fährt man am Wochenende auf die Datscha. Die Russen lieben die Natur und sie lieben ihr Land. Jedoch gibt es keine adäquate Mülltrennung

Sprechen wir jedoch über etwas, das funktioniert- die Abfallsortierung Die Sortierung ist zwar nicht so modern wie westliche Anlagen in Bezug auf die Automatisierung, aber in Russland ist die Sortierung zum großen Teil auf menschliche Arbeit zurückzuführen. Das hängt mit dem niedrigen Tarif zur Abfallverarbeitung zusammen sowie mit dem Vertriebsmarkt für Recyclingprodukte. Durch den niedrigen Tarif können derzeit keine vollautomatischen Sortieranlagen gebaut und betrieben werden. Mein Mitgefühl den Arbeitern in diesen Sortieranlagen. Die Arbeitsbedingungen sind hart. Diese Arbeitsbedingungen sind in unserer modernen Welt inakzeptabel. Die Leute verrichten eine nützliche Arbeit, jedoch sind die Bedingungen kaum zu ertragen. Diese Arbeit muss respektiert werden und es müssen angemessene Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Verarbeitung von Abfällen: Dieser Bereich existiert kaum in Russland, obwohl ich von einer Fabrik in Engels in Saratow gehört habe. Derzeit gibt es in Moskau zwei Müllverbrennungsanlagen. Und diese sind nur ein Erbe aus früherer Zeit Ob das gut oder schlecht ist, sei dahin gestellt. Wichtig ist, dass es sie gibt und leider gibt es viel zu wenige….